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einige Tage vor Beginn des 6 Tage Krieges

26. Mai 1967


Sehr geehrter Herr Dr. Velikovsky,

beim Durchdenken der Motive für Ischtar’s Geschlechtswechsel, durch den sie anstatt als Stier später als Kuh verehrt wurde, ist Ihnen das Naheliegendste entfallen. Wohl ist es für eine Kuh charakteristisch, dass sie Milch gibt (ein gehörnter Planet der Milch hervorbringt ähnelt am meisten einer Kuh, vgl. Welten im Zusammenstoss, Kap. “Die heilige Kuh” ), aber ein noch markanteres Merkmal für das weibliche Rind ist das Fehlen des männlichen Zeugungsgliedes. Während seiner kometischen Laufbahn hatte der Venusstern natürlich ein männliches Geschlechtsattribut, denn in Koptos in Ägypten wird Horus dargestellt, wie er das Glied des Typhon in der Hand hält (Theodoret. Ad. Antolyt III. 27). Der Rutenstern verlor seine Rute nach einer Periode ausgedehnter Finsternis. Laut der mythologischen Überlieferung entstieg er als schaumgeborene Aphrodite (Venus Anadymone) den Fluten, die das ins Meer gefallene Glied des Kronos umspülten. Erst seit damals kann der Name Kawkabta “the (female) star” , which they, [die Syrer] like the Jews, apply especially to the morning star” angewendet worden sein (cf. Artikel “Al-Uzzah” in Encyclopaedia of Islam). Boticelli hat den Vorgang, der u. a. in den christl. Auferstehungsszenen fortlebt, als “Die Geburt der Venus” gemalt. Minerva, bekanntlich eine noch maskuline Vorstufe der Venus, trägt als Reminiszenz das dem grässlichen Kometen (Plin. N. H. II, 91) entsprechende Gorgonenhaupt im Schilde.

Das Henkelkreuz, mit dem die Anhänger Siva’s ihre heiligen Stiere seit uralten Zeiten bezeichnen, ist bis zum heutigen Tage das Zeichen des Planeten Venus geblieben. Nicht etwa deshalb weil es ein Knotenamulett ist, sondern einzig und allein weil es den Kometen Venus darstellt. Das wichtige ist der Schwanz und nicht der Henkel. P. von Bohlen beschreibt den ursprünglichen Erregungshintergrund unter allen Kommentatoren am offenherzigsten: “Die Anhänger des Sivas pflegen den heiligen Stieren einen Phallus auf die Hüfte einzubrennen [...] in der Gestalt eines Henkelkreuzes” (Das alte Indien, 1830, I, 209). Wenn man einmal die mit dem Henkelkreuz verknüpfte Grundidee erfasst, wird man es weniger beachtenswert als Hans Bonnet finden, “dass die Götter [...] die Lebensschleife [...] nicht [...] an dem schlaufenförmigen Henkel, sondern am unteren Ende fassen” und “dass man jenes in besonderer Weise gewertet zu haben” scheint (Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, 1952, Artikel “Lebensschleife” ). Jedenfalls E. A. W. Budge (Osiris and the Egyptian Resurrection II, p. 96) lässt keinen Zweifel darüber walten, dass “the phallus of Osiris must have played a very prominent part in the beliefs of the Egyptians...” . Es ist verständlich, dass die Menschheit lange nach dem Verbleib des Kometenschweifes geforscht hat. Trotz eifrigsten Suchens gelang es Isis nicht, den Phallus wiederzufinden, der dem (in der Vorstellungswelt der Ägypter) durch Seth zerstückelten Osiris abhanden gekommen war. Das an die wunscherfüllende Vorstellung von der Kastration des Urvaters anknüpfende Schuldgefühl ist bis zum heutigen Tag von der Menschheit nicht gewichen und führt zu den sich ständig wiederholenden, durch Fehlmotive belegten aggressiven Entladungen.